Libertärer Mediziner mit Hang zu interdisziplinärer Forschung
u.a. in Infektionsbiologie und Virologie


17. März 2020 - 17:30 Uhr


Friedrich Merz ist nachweislich an CoViD-19 erkrankt; falls sich anlässlich dieser Neuigkeit jemand fragen sollte, welche Voraussetzungen gegenwärtig erfüllt sein müssen, um für einen Rachenabstrich mit PCR-Test qualifiziert zu sein: Es gibt weder auf Landes- noch auf Bundesebene verbindliche Kriterien.
Das RKI hat Empfehlungen herausgegeben - unter anderem in Form eines Flussdiagramms für Ärzte - die allerdings weder in Arztpraxen noch im Rahmen der ambulanten Versorgung der Krankenhäuser näherungsweise praktikabel sind. De facto werden deshalb gegenwärtig nur noch fulminante Verläufe und prominente Verdachtsfälle getestet; zumindest in den Urbanregionen reichte nach einzelnen Berichten ein nachweislicher Risikokontakt zu einer positiv getesteten Person in Verbindung mit den typischen Symptomen nicht aus, um über die gängigen Hotlines Zugang zu einer Testmöglichkeit zu erhalten; stattdessen wird generell zu Heimquarantäne geraten. Darüber hinaus werden ab heute ausschließlich über eine bestimmte Datenbank elektronisch übermittelte Fälle in die Fallzahlenstatistik des RKI eingehen; eine scheinbare Stagnation der Neuinfektionsrate in den nächsten Tagen wäre also durchaus nicht ungewöhnlich, denn der überwiegende Teil der Medien verwendet die RKI-Zahlen mittlerweile exklusiv. Immerhin wird dieses Problem offiziell eingeräumt und wegen des Meldeverzuges der regionalen Gesundheitsämter eine enorme Dunkelziffer an Erkrankten vermutet.

Der Präsident des RKI, Lothar Wieler, dem nach eigenem Bekunden in der jüngsten Pressekonferenz bei einigen Prozentangaben kurz die Fähigkeit zum Kopfrechnen abhanden gekommen ist, erklärte gerade im Nebensatz, die Krankenhäuser müssten zügig ihre intensivmedizinischen Kapazitäten verdoppeln (!); eine völlig absurde Forderung - eher wird BER nächste Woche fertig. Er behauptete dann ernstlich, das RKI hätte die gegenwärtig geforderten Eindämmungsmaßnahmen wie etwa 'social distancing' bereits seit Wochen gefordert - nachweislich wurden sie bis Mitte vergangener Woche aber in keiner Verlautbarung des RKI auch nur ansatzweise erwähnt. Dafür wird quasi jeder zweite Satz zu den Maßnahmen des Instituts mit der Hülse 'wie auch in den vergangenen Wochen schon' eingeleitet, als ließe sich damit die Zeit des beharrlichen Relativierens und Abwartens rhetorisch ungeschehen machen. Der Einsatz der verfügbaren Testkapazitäten müsse gut geplant sein, und hier sei jeder einzelne Arzt gefragt, weil die Resultate sonst ja 'ohne Aussagekraft' wären. Er wird auch nicht müde - genau wie Christian Drosten außerhalb seiner lichten Momente - zu behaupten, eine Eindämmung des Infektionsgeschehens sei nicht möglich, ja wäre nie möglich gewesen, es könne also allen beteiligten Institutionen nur um eine Verlangsamung zu tun sein. Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass China (nachgewiesene Neuinfektionen in Wuhan heute: 1) und Singapur (nachgewiesene Neuinfektionen heute landesweit: 23) das unerhörterweise anscheinend doch gelungen ist. Diese Zahlen sind übrigens insbesondere deshalb spektakulär, weil in Singapur praktisch jedermann getestet wird, der auch nur über ein leichtes Magengrimmen klagt oder schlichten Sinnes darum bittet; die Testquote in China dürfte ebenfalls um Größenordnungen über der unseren liegen. Es ist mir ein Rätsel, warum die an dieser Misere beteiligten Institutionen nicht unverzüglich ihre Fehler einräumen und von der irrsinnigen Vorstellung Abschied nehmen, eine Durchseuchung der Gesellschaft sei gleichsam unausweichlich.

Wielers sensationelle Antwort auf die Frage einer Journalistin, ob denn dann während der zwei Jahre, die eine annähernd komplette Durchseuchung der Gesellschaft nach RKI-Schätzung durchaus dauern könnte, die aktuellen Maßnahmen - oder darüber hinausgehende wie Ausgangssperren etc. - aufrecht erhalten werden müssten: "Ja, das kann schon sein".



17. März 2020 - 22:00 Uhr


Der heitere Tingeltangel geht anscheinend munter weiter - in der Hamburger Innenstadt fuhr ich vorgestern an einem proppevollen Cafe vorbei, und heute bot sich in den Supermärkten der Stadt ein ähnliches Bild. Mein alter Mentor Rainer Laufs vom BNITM - möge die Erde ihm leicht sein - hätte vermutlich bereits vor Wochen so energisch auf die Stadtverwaltung eingewirkt, dass schon Ende Februar niemand mehr überhaupt in irgendeinem Cafe gesessen hätte.
So wie es bisher läuft, ist mitnichten angemessen - es ist desaströs, und man fühlt sich an ein geflügeltes Wort erinnert: Die Regierung tut so, als würde sie Maßnahmen anordnen, und die Bevölkerung tut so, als würde sie sich danach richten. Ich frage mich ernstlich, was aus den Unmengen in den vergangenen Wochen gehamsterter Schutzmasken geworden ist; nachdem Regierung und Presse in gewohnt unheilvoller Allianz das Tragen jedweden Atemschutzes durch irreführende Behauptungen über die Schutzwirkung systematisch desavouiert haben (vermutlich um exakt jene Hamsterkäufe zu verhindern), ist die Bereitschaft zum Selbstschutz geringer als man eigentlich erwarten dürfte; das Konformitätsbedürfnis der Deutschen scheint mittlerweile hier Regie zu führen. Ich trage seit Jahren zur Erkältungszeit in Situationen mit erhöhtem Infektionsrisiko FFP3-Schutzmasken. Warum? Weil es mich einen Dreck schert, was irgendwelche Flitzpiepen über mich denken, wenn ich dafür seit Ewigkeiten nicht einmal mehr eine simple Erkältung ertragen musste. Mehrere meiner Freunde sind in jungen Jahren an durch verschleppte Erkältungen (!) ausgelösten Myokardiden verstorben; dieses Phänomen tritt zwar überwiegend bei Leistungssportlern auf, ist aber generell auch für Breitensportler ein ständiges Risiko - mich selbst hätte es Ende der 90er auch beinahe erwischt. Die Masken funktionieren hervorragend, und zwar nicht nur wie häufig behauptet durch weniger Berührungen des Gesichtes mit den eigenen Händen.

Via Tröpfcheninfektion übertragene Erreger wie SARS-CoV-2 werden bereits durch eine einfache Vliesmaske relativ gut zurückgehalten - gegen eine Übertragung über Aerosole schützen sie kaum (im Gegensatz zu FFP2 und -3), aber dieser Infektionsweg gilt bei SARS-CoV-2 als sehr unwahrscheinlich. In dieser gesamten Zeit bin ich niemals in negativer Manier darauf angesprochen worden - im Gegenteil, Krankenschwestern etwa fragten mich häufiger, wo man denn so schöne Masken mit Burberry-Muster herbekäme. Das hat sich in den letzten Tagen geändert; es wird sich öffentlich über Maskenträger amüsiert, und im Ergebnis geht jedermann ohne jeden Schutz in brechend vollen Supermärkten einkaufen, als gäbe es kein Morgen - und für einige könnte das genau deshalb auch durchaus wahr sein. Wenn es so weitergeht, werden wir spätestens in zwei Wochen keinerlei Kapazitäten mehr in der Intensivmedizin haben - dann komme ich gerne nochmal auf Sinnhaftigkeit und Rechtzeitigkeit der Eindämmungsmaßnahmen zurück; dieser Beitrag dürfte gut altern. Der in den letzten Tagen in der Presse in verschiedenen Variationen aufgetauchte Bericht eines Arztes aus der Lombardei ist nur einer von vielen; die typischerweise hospitalisierten Patientenkohorte verschiebt sich merklich, und die Italien angewendeten Triage-Regeln führen dazu, dass mittlerweile immer häufiger Lebensältere direkt wieder weggeschickt werden, wenn sie in desolatem Zustand in einer Klinik vorstellig werden. Die schweren Verläufe in Form einer fulminanten interstitiellen Pneumonie häufen sich dort massiv, was konsequenterweise wegen der angewandten Triage-Regeln die Mortalität der >75jährigen weiter erhöhen wird, weil sie schlichten Sinnes schon jetzt häufig nicht mehr beatmet werden können, denn die Plätze werden für jüngere Patienten mit höherer Überlebenschance gebraucht. Das sind gleichsam Kriegszustände im medizinischen Bereich - ein Novum in Europa nach '45. Es bleibt weiterhin unklar, wie gefährlich der Erreger genau ist; die Zahlen zu Schwere, Verlauf, Mortalität und Prädilektionsalter der Erkrankung in Italien sind bestürzend, gelinde gesagt. Dazu kommt, dass Coronaviren sehr unangenehme Eigenschaften haben, die eine Abschätzung möglicher Spätfolgen oder der Möglichkeit latenter Infektionen sehr schwierig machen. Ein ganzes Land zur Petrischale zu machen, um 'die Bevölkerung nicht zu verunsichern' war nicht etwa ungeschickt oder fahrlässig, es ist angesichts der seit Ende Februar bekannten Faktenlage schlicht kriminell. Von Hamsterkäufen und beharrlichem Daheimbleiben geht kaum echte Gefahr aus - von galoppierender Leichtfertigkeit hingegen schon.

Die Maßnahmen unserer Regierung kamen spät, und dank der Freiheitsgrade des föderalen Systems sind sie bis heute uneinheitlich. Es wird sich zeigen, welche Konsequenzen das zögerliche Handeln haben wird; der wirtschaftliche Schaden ist bereits unabwendbar, insofern gibt es keinen Anlass mehr für jedwede Leichtfertigkeit; nur Eigenverantwortung und vernünftiges Verhalten können noch abwenden, was durch Führungsschwäche und Zögerlichkeit der Verantwortlichen begünstigt wurde. An Ländern wie Singapur lässt sich gut erkennen, wie schnell durch entschlossene Maßnahmen eine Krise in italienischem Ausmaß abgewendet werden konnte - uns steht sie nun bevor. Am Wochenende sind tausende Skiurlauber aus den seit zwei Wochen bekannten Tiroler Infektionshotspots in sämtliche deutschen Großstädte zurückgekehrt; eine Heimisolation wurde ihnen für 14 Tage von der Regierung über die Nachrichten empfohlen, Kontrollen finden nicht statt. Daher, um die Akteurin einer ganz anderen, schon fast vergessenen Causa zu zitieren: Ich will, dass Ihr in Panik geratet.



14. März 2020 - 12:45 Uhr


Falls noch irgendjemand nicht von der Vorstellung Abschied genommen hat, es handele sich bei SARS-CoViD-2 um eine mit der saisonalen Influenza vergleichbare Erkrankung: Es scheint, als hätten einige der Genesenen mit dauerhaften Einschränkungen der Lungenfunktion zu rechnen - dazu gehören auch Fälle, bei denen es nicht zu einer schweren, interstitiellen Pneumonie gekommen ist, sondern ein eher milder bis mittelschwerer Verlauf beschrieben wird. 'Milde und mittelschwere Verläufe' schließt allerdings per definitionem auch Patienten mit starken Symptomen und hohem Fieber ein, sofern sie nicht hospitalisiert werden müssen. Wir werden sehen, wie sich die Verläufe hierzulande entwickeln; die Sterberaten unter jungen italienischen Patienten jedenfalls sind sehr viel höher als erwartet.

Stay the fuck home.

Quelle: "Coronavirus: some recovered patients may have reduced lung function and are left gasping for air while walking briskly, Hong Kong doctors find"

Die Verzweiflung vieler, die in der Kakophonie sich widersprechener Behauptungen Orientierung suchen, kann ich nachvollziehen; sich allerdings in die geschlossenen Weltbilder hanebüchener Irrlehren zu flüchten, kann dieses Problem nur scheinbar lindern. Nach meiner Auffassung gehört jedem Humanmediziner, der homöopathische Leistungen anbietet, ohne Zögern die Approbation entzogen; das nur als Triggerwarnung vorausgeschickt. Eso-Medizin ist nicht nur bar jeder Wirkung, sie spielt auch in geradezu boshafter Weise mit den Hoffnungen der linken Seite der Normalverteilung, die sich mangels Auffassungsgabe und naturwissenschaftlicher Grundlagenbildung kein Bild davon machen kann, was im Bereich des Möglichen liegt (Naturheilkunde, pflanzliche Heilmittel), und was absoluter Mumpitz ist (Homöopathie, TCM, Bachblüten, Chlordioxid, Geistheilung, Germanische Medizin). Auch mit etwas mehr Geistesgaben gesegnete Zeitgenossen sind dagegen erstaunlicherweise nicht gefeit. Wer sich etwa ernstlich Bleichmittel in den Schlund schüttet, weil ein durchgeknallter Scientologe sich vor Jahren ein neues Wort dafür ausgedacht hat, muss allerdings definitiv von einem Wickeltisch mit der Höhe des Bertelsmann-Gebäudes in Gütersloh gefallen sein. Dazu noch ein Löffelchen Plutonium-Globuli D30, und ein Hauch kolloidales Silber auf die Rosette geträufelt? Aber auf keinen Fall die Bachblüten vergessen, sonst wirkt das alles nicht; erst die Kombination führt zur humoristischen Endtherapie: Der Erreger lacht sich schlichten Sinnes tot.

Eines ist all diesen Irrlehren gemein - sie perpetuieren sich durch vermeintliche Erfolgsgeschichten, mit denen ihre Apologeten den getriebenen Aufwand und die Geldverschwendung ex post zu legitimieren trachten, ganz zu schweigen vom Erwartungsbias durch all den esoterischen Unfug, der von den jeweiligen Communities ihren willfährigen Opfern übergehängt wird. Aktuell eine Sau, die durchs Dorf getrieben wird: MMS/Miracle Mineral Supplement / Chlordioxid. Die Substanz hat viele ausgedachte Namen, wie das bei Snake Oil häufig der Fall ist, weil jeder Scharlatan sich eine andere Variation der Heilslehre auf die Fahnen schreibt. Mit Mineralien hat es allerdings nicht das Geringste zu tun, auch wenn das Akronym mal so aufgelöst wurde, und mirakulös erscheint nur der Stumpfsinn der Anwender. Es handelt sich tatsächlich um Natriumchlorit (NaClO2, nicht zu verwechseln mit NaCl, also NatriumchloriD, besser bekannt als Kochsalz), das in saurer Lösung (je nach Hersteller Essig- Zitronen- oder Salzsäure) Chlordioxid ergibt, ein starkes und ziemlich giftiges Bleich- und Oxidationsmittel. Diese Substanz in den Körper zu schütten ist etwa so clever wie bei einer Erkältung teelöffelweise Sterillium zu trinken, weil es ja Bakterien und Viren abtötet. Die Dosierung ist allerdings bei korrekter Anwendung so niedrig, dass kein unmittelbarer Schaden zu befürchten ist - allerdings auch keine Wirkung. Leider sind im libertären Umfeld eine Menge Esoteriker unterwegs, die der freiheitlichen Idee hauptsächlich deshalb anhängen, weil sie finstere Mächte am Werke glauben - etwa dass 'jene' 'da oben' dem Volk die richtig gute Medizin vorenthalten wollen, und schon eine Prise Unkraut-Ex zum Frühstück und ein, zwei Dolden Schafgarbe in den Hintern jede Krankheit heilen. Für Menschen mit zweistelligem IQ - meistens schon am Duktus zu erkennen, stellen leider knapp die Hälfte der hiesigen Bevölkerung - muss alles auf Erden wie ein verstörend komplexes Wunder wirken, weil sie schon am Bio-LK gescheitert sind und niemals Freude an der Wissenschaft entwickeln konnten. Wer als einziges epistemologisches Rüstzeug den Analogieschluss zur Verfügung hat, muss quasi alles glauben; sollte er aber nicht. Man darf der Realität durchaus eine Chance geben, mag sie auch manchmal mit grimmigen Antlitz daherkommen.